„Fortschritt braucht zwingend sozialen Ausgleich“, erklären die Landesvorsitzenden der Arbeiterwohlfahrt in Bayern Nicole Schley und Stefan Wolfshörndl anlässlich der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags der designierten Bundesregierung. „Neben zahlreichen positiven sozialpolitischen Aspekten, die den Forderungen der bayerischen Arbeiterwohlfahrt vor der Bundestagswahl Rechnung tragen, gibt es aber auch etliche Punkte, die leider gar nicht aufgenommen wurden bzw. die konkretisiert werden müssen. Da gibt es Nachbesserungsbedarf, um gleichwertige Lebensverhältnisse für alle zu schaffen.“
Im Einzelnen:
Bezahlbares Wohnen
Grundsätzlich positiv:
• dass es 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen geben soll. Das sind nach Königsteiner Schlüssel 15.565 Einheiten in Bayern.
Verbesserungswürdig:
• das Fehlen eines Mietenstopps und eines entschiedenen Schritts hin zu einem sozialen Bodenrecht.
Armutsbekämpfung
Grundsätzlich positiv:
• die Kindergrundsicherung. Allerdings ist unklar, wie sie ausgestaltet sein soll. Wir plädieren für einkommensabhängig.
• dass kein höheres Renteneintrittsalter eingeführt werden soll.
• die Vereinbarung auf ein stabiles Rentenniveau, obwohl wir 50 statt 48 Prozent für nötig erachten, um den Lebensstandard auch im Alter abzusichern.
• der Mindestlohn von 12 Euro, Stärkung der Tarifbindung, unter anderem durch ein Tariftreuegesetz bei der Vergabe von Aufträgen des Bundes.
• dass die Grundrente zumindest evaluiert werden soll. Wir hoffen, dass dies zu einem Wegfall der Einkommensprüfungen führt.
Verbesserungswürdig:
• dass gesetzliche Rentenversicherung nicht durch Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten gestärkt wird; unabdingbar, um die Zukunft der Rente zu sichern.
Pflege:
Grundsätzlich positiv:
• die Lohnersatzleistung für Angehörige im Falle pflegebedingter Auszeiten.
• die Begrenzung von Eigenanteilen und die Entfernung von Umlagen und versicherungsfremden Leistungen aus der Pflegeversicherung. Dies entlastet Betroffene und das System der Pflegeversicherung.
Verbesserungswürdig:
• Erneuter Appell an Sozialpartner, Tarifvertrag abzuschließen. Wir hoffen, dass der voraussichtlich neue alte Arbeitsminister Hubertus Heil hier dran bleibt.
• Ein Pflegebonus in einmaliger Form kann nur ein kleiner Baustein der Anerkennung für die Beschäftigten sein. Veränderungen in der Gehaltsstruktur und eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich helfen aus unserer Sicht dauerhaft und mehr.
• Die Personalkräftegewinnung in Deutschland aber auch aus dem Ausland bleibt die Kernfrage in der Pflege. Ohne Personal keine Pflege. Hier erwarten wir uns eine schnelle und nachhaltige Umsetzung der versprochenen neuen Regelungen zur Fachkräftegewinnung.
• Die Ampel traut sich leider nicht an eine Reform der Finanzierung heran. Wir brauchen mehr Geld im System, etwa über eine Zusammenlegung von privater und gesetzlicher Pflegeversicherung.
————————————————————————————————————
Die AWO in Bayern zählt ca. 60.000 Mitglieder und beschäftigt über 33.000 hauptamtliche Mitarbeiter*innen. Darüber hinaus engagieren sich mehr als 13.500 Menschen ehrenamtlich in verschiedenen sozialen Bereichen. In über 1.900 Einrichtungen und Diensten ist die AWO landesweit gesellschaftlich aktiv und auf allen Gebieten der Sozialen Arbeit, der Erziehung, der Bildung und des Gesundheitswesens tätig.
Quelle: AWO Bayern
Foto: Pixabay.com