Berlin, den 12.05.2022. Zum heutigen Tag der Pflege fordert die Arbeiterwohlfahrt die Bundesregierung auf, schnell die notwendige Reform der Pflegeversicherung anzugehen. Dabei müssen bessere Arbeitsbedingungen für beruflich Pflegende, mehr Unterstützung für pflegende Angehörige. Das alles wird Kosten verursachen, die sich auch in erhöhten Eigenanteilen zeigen werden. Die Bezahlbarkeit von Pflege durch eine nachhaltige Finanzreform der Pflegeversicherung muss im Zentrum stehen und politisch priorisiert werden.
Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt: „Es gehen immer mehr Menschen in die Pflege, das zeigt, dass die Pflege grundsätzlich ein attraktiver Beruf sein kann. Es braucht aber angesichts des demografischen Wandels mehr Menschen, die sich für den Pflegeberuf entscheiden. Die Pflegeinfrastruktur in Deutschland ist für den demografischen Wandel und des sich daraus ergebenden Bedarf überhaupt nicht ausgestattet. Der Fachkräftemangel ist bereits jetzt akut.“
Die Corona-Pandemie hat deutlich den Finger in die Wunden des Pflegesystems gelegt: Die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, Testverpflichtungen und Personalausfälle aufgrund von Quarantäne der Mitarbeiter*innen oder wegen Erschöpfungserscheinungen belasten die professionelle Pflege sehr.
Diese Belastungen stehen nicht für sich, sondern treten hinzu zu den ohnehin strukturellen Problemen in der Pflege: Im professionellen Bereich ist dies der sich immer weiter zuspitzende Personalmangel, bei den pflegenden Angehörigen der Mangel an Angeboten zur Entlastung, wie etwa Tages- oder Kurzzeitpflegeplätze, aber auch psycho-soziale Entlastungsangebote oder finanzielle Absicherung durch Entgeltersatzleistungen.
Dazu erklärt Brigitte Döcker, Mitglied des AWO Bundesvorstandes: „Die Gesellschaft ist den beruflich und privat Pflegenden zum Dank verpflichtet. Die Pandemie hat uns dringlich vor Augen geführt, wie wichtig Pflegende für unsere Gesellschaft sind, mit welchem Einsatz und welcher Selbstlosigkeit sie Verantwortung übernehmen für diejenigen Menschen, die auf Hilfe und Fürsorge angewiesen sind. Doch auf diesem Selbstverständnis der Pflegenden darf sich die Gesellschaft nicht ausruhen. Viele Pflegende hat diese Pandemie an ihre Grenzen gebracht – es gilt nun, sie aufzufangen und ihnen eine Perspektive zu geben. Die AWO fordert daher die konsequente und vollständige Umsetzung des Personalbemessungsinstrumentes zur Verbesserung der Personalsituation, eine tarifliche Bezahlung für alle Pflegekräfte und die Entlastung pflegender Angehöriger unter anderem über die Einführung einer Entgeltersatzleistung analog zum Elterngeld für bis zu 36 Monate sowie die Erhöhung der teilweisen Freistellungsmöglichkeiten.
All diese wichtigen Verbesserungen in der Pflege werden kosten. Ein wesentlicher Teil dieser Kosten wird sich absehbar in den steigenden Eigenanteilen pflegebedürftiger Menschen zeigen oder zu einer nicht mehr bedarfsdeckenden ambulanten Versorgung führen. Die eingeführte relative Bezuschussung der Eigenanteile im stationären Bereich wird daran nichts ändern, weil sie das strukturelle Problem nicht bei der Wurzel packt. Finanzielle Planbarkeit und damit eine bedarfsgerechte Absicherung pflegebedürftiger Menschen kann nur durch eine echte Deckelung der Eigenanteile erreicht werden. Daher fordert die AWO im Kontext der absehbar steigenden Kosten durch steigende Löhne und den Personalaufbau in der Pflege, diese wichtige Reform der Pflegeversicherung jetzt anzugehen. Auch vor dem Hintergrund der finanziellen Belastungen durch zwei Jahre Pandemie und jetzt durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine dürfen die Reformbaustellen in der Pflege und deren Ziele nicht vergessen oder gar aufgegeben werden. Nur so kann ein Ausgleich zwischen der Verbesserung der Situation Pflegender und der Bezahlbarkeit für Pflegebedürftige geschaffen werden, so dass beide Seiten nicht gegeneinander ausgespielt werden.“
Zum 202. Mal jährt sich am 12. Mai der Geburtstag von Florence Nightingale, der Begründerin der modernen Pflege. Seit den 1970er Jahren wird dieses Datum als internationaler Tag der Pflege begangen.
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Die Arbeiterwohlfahrt gehört zu den sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege und wird bundesweit von über 312.000 Mitgliedern, mehr als 82.000 ehrenamtlich engagierten Helferinnen und Helfern sowie rund 237.000 hauptamtlichen Mitarbeiter*innen getragen.
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Quelle: AWO Bundesverband
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