Gesundheitsminister Jens Spahn hat die Pläne für seine Pflegereform vorgestellt. Mehr Geld für Pflegefachkräfte, weniger finanzielle Belastung für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen – doch kann man die Pläne als großen Wurf bezeichnen, der den Pflegeberuf attraktiver machen wird und auch die Pflegebedürftigen unterstützt? Marion Tost, Vorständin des AWO Kreisverbands Bayreuth-Stadt ist skeptisch und warnt auch vor negativen Nebenwirkungen, speziell für die stationären Einrichtungen in Bayern.
Was halten Sie von der neuen Pflegereform? Ein Schritt in die richtige Richtung oder grundsätzlich zu wenig und zu kurz gedacht?
Marion Tost, Vorständin AWO Kreisverband Bayreuth-Stadt: „Grundsätzlich ist die Pflegereform mehr als überfällig gewesen. Bei näherer Betrachtung muss man aber sagen, dass es kein großer Wurf ist, wie ihn Gesundheitsminister Spahn verkaufen will. Ich befürchte, dass das nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist – die Arbeiterwohlfahrt und andere Sozialverbände haben sehr viele Vorschläge gemacht, wie man die Pflege wirklich unterstützen kann, davon findet man nicht unbedingt viel in Spahns Pflegereform. Wir hatten beispielsweise eine Deckelung des Eigenanteils in der Pflege gefordert – herausgekommen ist vermutlich nun eine Light-Version, die nicht wirklich Entlastung für die Angehörigen bringt.
Die Reform verspricht finanzielle Entlastung für Pflegebedürftige und gleichzeitig höhere Löhne für Pflegekräfte. Kann das funktionieren oder muss man als Pflegebedürftiger bzw. Angehöriger doch höhere Beiträge befürchten?
Tost: Ich bezweifle es, dass durch die eine Milliarde an Bundesmitteln das alles so umgesetzt werden kann – die Forderung der Sozialverbände belief sich auf rund 6 Milliarden pro Jahr. Und nur mit mehr Geld ist den Pflegekräften auch nicht geholfen. Die Arbeitsbedingungen müssen sich verbessern – etwa mit einem wirklich realistischen Personalschlüssel. Dass Spahn jetzt auf verbindlichere Personalschlüssel setzt, heißt ja nicht, dass sie besser sind und mehr Personal eingesetzt wird. In Bayern hätte es nach den Plänen vom Gesundheitsminister für die stationäre Altenhilfe bedeutet, dass es sogar zu einer Reduktion des Schlüssels gekommen wäre.
Was müsste langfristig verändert werden, damit für die Zukunft ausreichend Pflegepersonal für die steigende Zahl an Bedürftigen vorhanden ist?
Tost: Die AWO in Bayern hat in einer Petition ganz klar skizziert, welche Verbesserungen dringend umgesetzt werden müssen. Wir brauchen einen realistischen und guten Personalschlüssel, der die Pflegekräfte entlastet, die immense Bürokratie in der Pflege muss dringend abgebaut werden, höhere Gehälter und Zulagen sind nötig, mehr Realitätsnähe von Prüfbehörden und kein Herabsetzen von fachlichen Standards – all das kann dafür sorgen, dass der Pflegeberuf attraktiver wird.