Berlin, 6. November 2019. „Einmal arm, immer arm“ – ganz so vorgezeichnet sind Lebenswege armer Kinder nicht. Die aktuelle Auswertung der AWO-ISS-Langzeitstudie zeigt aber: Armut in der Kindheit kann das Leben von Menschen langfristig belasten.
Dazu erklärt Studienleiterin Dr. Irina Volf vom ISS Frankfurt am Main: „Die Studie zeigt: Armut in der Kindheit muss kein Lebensschicksal sein. Es gibt keinen Automatismus, der aus armen Kindern zwingend arme Erwachsene werden lässt. Aber: Viele junge Erwachsene mit Armutserfahrung entkommen der Armut nicht. Ein Drittel der armen Kinder bleibt auch im jungen Erwachsenenalter arm. Der Übergang ins junge Erwachsenenalter ist dabei ein Scheideweg im Leben dieser Menschen. Er ist eine Chance, der Armut der Familie zu entwachsen. Er kann aber auch in die weitere Armut führen.“
AWO Bundesvorsitzender Wolfgang Stadler ergänzt: „Die Studie zeigt deutlich: Übergänge sind Scheidewege. Wenn es an diesen sensiblen Übergangsphasen im Leben passende soziale Dienstleistungen und ein funktionierendes soziales Netz gibt, dann steigen die Chancen der Betroffenen, der Armut zu entkommen. Was es also braucht, ist eine stärker präventive Ausrichtung – einen Paradigmenwechsel, der Armut im Vorhinein verhindert, statt ausschließlich an individuellen Armutssymptomen herumzudoktern, die das strukturelle Problem nicht lösen. Die Studie ist ein politischer Auftrag! Uns kann es nicht zufrieden stellen, wenn in Deutschland in jedem fünften Kinderzimmer die Armut mitspielt. Damit verwehren wir jedem fünften Kind legitime Ansprüche auf Wohlergehen, Anerkennung und Zukunftschancen. Wir fordern die Einführung einer Kindergrundsicherung, einen Ausbau der sozialen Infrastruktur, Investitionen in Bildung sowie eine gezielte Unterstützung und Förderung junger Menschen beim Übergang in Ausbildung und Arbeit. Zudem müssen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für gute und existenzsichernde Arbeit weiter verbessert werden, um Einkommens- und Familienarmut wirkungsvoll zu bekämpfen.“
Die Panelstudie ist die fünfte Phase einer seit 1997 laufenden Langzeitstudie zur Kinder- und Jugendarmut. In ihr wurde Armut im jungen Erwachsenenalter quantitativ und qualitativ untersucht. Die Ergebnisse geben Aufschluss über die Langzeitfolgen von Armut in Kindheit und Jugend.
Wolfgang Stadler: „Wir freuen uns, mit der neuen AWO-ISS-Langzeitstudie erneut einen wertvollen Beitrag zur wissenschaftlichen und politischen Diskussion leisten zu können. Ich möchte mich ganz herzlich bei den Forscherinnen und dem ISS für die produktive und freundschaftliche Zusammenarbeit bedanken. Außerdem gilt mein herzlicher Dank den vielen Studienteilnehmenden, die uns stellvertretend für Millionen junger Menschen in Deutschland Einblicke in ihre Lebenssituationen gewährt haben.“
Zum Positionspapier und zentralen Ergebnissen (PDF).
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